Bozen, Göttingen, 27. September 2022
Im Zusammenhang mit den Massenprotesten gegen das Mullah-Regime im Iran befürchtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) einen großangelegten Einmarsch des Iran in das benachbarte Irakisch-Kurdistan. „Seit Tagen greift die iranische Armee kurdische Ortschaften im Nordirak an. Iranische Kurden suchten dort in den 1980er Jahren Zuflucht vor der Gewalt des Mullah-Regimes“, berichtet Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Der Iran setzt Kampfdrohnen, Raketenwerfer und schwere Artillerie ein. Nun steht zu befürchten, dass das Regime sich die Türkei zum Vorbild nimmt und in Irakisch-Kurdistan einmarschiert.“ So wie der Nato-Staat am Bosporus könne auch die iranische Regierung behaupten, dort gegen kurdische „Separatisten“ und „Terroristen“ vorzugehen. „Die Mullahs sind durch die gesamtiranische Protestbewegung in Bedrängnis. Mit anti-kurdischer Hetze und Angriffen auf das Nachbarland versuchen sie, die Protestierenden zu spalten und gegeneinander auszuspielen“, erklärt Sido. „Dabei fordern alle kurdischen Parteien im Iran ein demokratisches und föderales Land – keine von ihnen agiert sezessionistisch.“ In ihren Erklärungen hätten alle kurdischen Parteien die Menschen in Iranisch-Kurdistan (Ostkurdistan) aufgefordert, friedlich zu protestieren und dem Regime keinen Anlass für noch mehr Gewalt zu geben.
Kontakte der GfbV berichten von 165 Festnahmen in Ost-Kurdistan. Andere Quellen sprechen sogar von bis 1000. „Da Häftlinge im Iran regelmäßig gefoltert und misshandelt werden, sind ihre Familien in großer Sorge. Mindestens 18 Kurden sollen getötet worden sein, bis zu 900 wurden unseren Quellen zufolge verletzt“, so Sido. „Aus Angst lassen sich viele nicht in Krankenhäusern behandeln. Sie werden im Untergrund notdürftig medizinisch versorgt.“
Im Vielvölkerstaat Iran leben neben Persern auch Aseri, Kurden, Araber, Belutschen, Turkmenen, Armenier und Assyrer sowie andere zahlenmäßig kleinere religiöse Minderheiten wie Bahai, Juden, Christen oder Zoroastrier. Die nichtpersischen Nationalitäten stellen weit mehr als die Hälfte der rund 85 Millionen Einwohner des Landes. Als eigenständige Völker mit eigener Sprache, Kultur und Geschichte werden sie jedoch nicht anerkannt. Sie alle leiden unter Diskriminierung und Unterdrückung. Das schiitisch-islamistische Regime geht insbesondere gegen die religiösen Minderheiten der Bahai und konvertierten Christen brutal vor.