Bozen
Trotzdem erhält der österreichische Schriftsteller Peter Handke den Literatur-Nobelpreis. Das Komitee verteidigt die Entscheidung. Handke habe nie Kriegsverbrechen geleugnet. In verschiedenen Interviews verteidigte Handke seine pro-serbische Haltung. Serbien und seine Führung wollten in den 90er Jahren Jugoslawien erhalten. Er sei Jugoslawe, das Land sei von Deutschland und vom Westen zerstört worden.
Nach Bosnien ist Handke nie gereist, weil er auf der „falschen Seite“ sein wollte, wie er sagte. Handke blendete auch die bosnischen Opfer des serbischen Aggressionskrieges aus, dazu schwieg er, schweigt er noch immer. Der Westen schaut lange dem serbischen Morden in Bosnien zu, war gleichgültig. Handke und seine Fanst sind der Inbegriff der Gleichgültigkeit des Westens gegenüber dem Genozid in Bosnien.
Die muslimischen Bosnier, Handke bezeichnete sie als muslimische Serben, wurden nicht nur von Europa im Stich gelassen, als sie ermordet wurden. Bis heute ist das Erinnern an ihr Leid bedroht von Gleichgültigkeit, nationalistischen Narrativen und einem damit einhergehenden Revisionismus, schreibt die taz.
In seinen Texten beschreibt Handke die Täter als Opfer des Westens. Geschichtsleugnung pur. Der Geschichtsleugner hielt am Grab von Slobodan Miloševic eine Rede, in der er sagte, die taz zitierte aus der Grabrede, wie nahe er einem angeklagten Kriegsverbrecher stehe. Handke war auch bereit, als Entlastungszeuge für den Kriegsverbrecher Miloševic vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag auszusagen. Weil der Kriegsverbrecher ein Jugoslawe war, wie Handke.
Seine Ex-Frau, Marie Colbin, kritisierte Handke für seine Haltung im „Jugoslawien“-Krieg. In einem Offenen Brief in der Zeitschrift „format“ distanzierte sie sich von ihrem sie schlagenden Ehemann. Besonders von seinen Aussagen wie: „Ich scheisse auf Eure Menchenrechte. Ich scheisse auf Eure bedrohten Völker. Steckt Euch die Toten in den Arsch!“
Dieser Literat erhält den Literaturnobelpreis 2019.
Offener Brief an Peter Handke von Marie Colbin
Mai 1999 – Zeitschrift „format“
Alle sagen, Du liebst das Land der Serben. Ich sage: Du liebst vor allem Dich in diesem Land! Auch ich liebe Tofu, die zugelaufene Katze, und deren Kinder Buddha, Congo, Sanso und Patti Smith. Ich liebe dieses Katzenrudel sehr und trage dafür die Verantwortung. Nur, wenn Tofu einen Vogel bringt und ihn vor meinen Augen glühend zerbeisst ihn lustvoll tötet, dann empfinde ich vor allem Liebe für den Vogel! Und wenn der Arme nur verletzt ist oder geschockt, dann eile ich und handle! Ich versuche alles, um ihn zu retten, ihm zu helfen, ihn zu heilen. Als vorbeugende Massnahme trägt Tofu nun eine Glocke um den Hals. Ein bimmelndes Warnsignal für die Vögel. Wo ist Dein „Warnsignal“ für die unzähligen massakrierten, gedemütigten und vertriebenen Kosovaren geblieben?
Wo Dichter, sind da Deine Worte verlorengegangen?
Bist nicht auch Du mitverantwortlich für diesen Krieg?
Nichts hast Du im Vorfeld für den Frieden getan! Warum nicht?
Einäugig wütest Du um Dich. Weiter und weiter.
Handke abgelichtet vor einer bombardierten Fabrik in Belgrad. Oh, welch eitles Getue, welch lächerliches, hohles Pathos! Der Indianer auf Kriegspfad, als letzter Serbianer. Fühlst Du Dich nun als Held in Deinem „Einbaum“ und paddelst so weiter? Erinnere Dich an unsere „Manöver-Geschichte“! Vor genau zwölf Jahren, am 14. April 1987, kurz bevor ich Dich für immer verlassen habe, gingen wir im jugoslawischen Karst des Weges. Plötzlich wurden wir aufgeschreckt durch rumpelnde Panzer und lautes Geknalle irgendwelcher Schützen. Wir gerieten mitten in einen gespielten Krieg.
Du sagtest damals: „Im Krieg ist alles besser. Da geht’s um was!“
Geht’s dir nun besser, Dichter? Ich glaube beinahe, ja. Irgendwie wirst Du diesem Krieg dankbar sein, denn er befriedigt auf perverse Weise Dein unstillbares Verlangen nach öffentlicher Anerkennung. Dein Ego bläht sich weit und breit, und es widert mich an. 250.000 Tote und zwei Millionen Vertriebene aus Bosnien! Über eine Million Vertriebene aus dem Kosovo! Und Du festgebissen im Fell Deiner „Einaughaltung“ rechtfertigst ein nationalistisches, chauvinistisches und rassistisches Regime.
In einer absurden Verdrehung von Ursache und Wirkung legitimierst Du Völkermord und Deportation. Bewusst vertauschst Du die Rollen der Opfer und Täter. Und was ist zynischer und verletzender, als die Bilder des Grauens selbst verantwortlich zu machen? Schämst Du Dich gar nicht? Wenn Du einen Preis in Belgrad entgegennimmst, Dein Stück dort zum jetzigen Zeitpunkt inszenieren oder dich gar zum edlen „Ritter“schlagen lässt, so ist das Deine bewusste Zustimmung zur Blut-Politik des Diktators Milosevic! Das ist Dein Beitrag zur „ethnischen Säuberung“!
Ja, ich höre Deine abgedroschenen, vulgären Phrasen: „Ich scheisse auf Eure Menchenrechte. Ich scheisse auf Eure bedrohten Völker. Steckt Euch die Toten in den Arsch!“ Wer bist Du denn, dass Du Dich so wichtig nimmst? Bist weder gross noch edel oder gar bescheiden und aufrichtig. Ein eitler Schreiber bist Du, der sich sonnt in der Rolle des „einsamen Rufers“. Nur sind das Rufe nach Zustimmung für ein Verbrecherregime.
Du bist ein Ideologe des modernen Balkanfaschismus.
Dein kitschiges, verklärtes, „Grasbüschel-Weltbild“ bekommt leider wieder einmal viel zu viel Aufmerksamkeit, und ich wundere mich sehr, auf welch banaler, Wein seliger Grundlage Deine Befürworter sich auslassen. Dein kleines dramatisches Stückchen gibt dem Krieg nicht ein konkretes Gesicht. Es stellt sich nicht gegen die ungeheuren Ausmasse der Auslöschung von Individualität (selbst tote Gesichter werden mit Baseballschlägern unkenntlich gemacht), sondern ist Ausfluss deiner aggressiven Eitelkeit.
Ich bin Pazifistin. Und wenn’s nach mir ginge, gäbe es nicht eine Waffe auf Erden! Jedoch weiss ich, solange es Männer gibt auf dieser Welt – Männer wie Dich: einäugig, unnachgiebig, machthungrig und Ego breit, wird es auch Waffen geben und somit Kriege. Ich höre noch meinen Kopf auf den Steinboden knallen. Ich spüre wieder den Bergschuh im Unterleib und auch die Faust im Gesicht.
Nein – Du bist kein Mann des Friedens!
Marie Colbin, Mai 1999 – Zeitschrift „format“