Bozen, Göttingen, 20. Dezember 2020
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Immunität katalanischer Politiker fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) einen glaubwürdigen politischen Dialog. Die spanische Führung müsse auf Augenhöhe mit der Unabhängigkeitsbewegung sprechen, um die Zukunft Kataloniens zu klären. „Die schallende Ohrfeige der Luxemburger Richter muss Folgen haben. Es muss einen Paradigmenwechsel in Spaniens Katalonien-Politik geben“, erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. „Die führenden Köpfe der Unabhängigkeitsbewegung durch die spanische Justiz zu kriminalisieren, hat erwartungsgemäß zu nichts geführt. Nur ein Dialog mit ihnen kann die Katalonien-Frage lösen.“
Nachdrücklich kritisiert die Menschenrechtsorganisation, dass unmittelbar nach der Bekanntgabe des EuGH-Urteils ein Gericht in Barcelona den katalanischen Regionalpräsidenten Qim Torra für 18 Monate von der Wahrnehmung öffentlicher Ämter ausschloss. „Die Terminwahl des umstrittenen Urteils gegen Qim Torra war sicher nicht zufällig. Sturheit und Ignoranz schaden Spaniens Ruf als Rechtsstaat“, so Delius. Der verurteilte Politiker hat angekündigt, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen.
Der EuGH hatte am Donnerstag in einer vielbeachteten Entscheidung bekräftigt, das europäisches Recht vor spanischem Recht gelte und Spanien die Immunität des katalanischen Abgeordneten des Europaparlaments Oriol Junqueras hätte respektieren müssen. Der in Spanien inhaftierte frühere Vizepräsident des katalanischen Parlamentes hätte nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses freigelassen werden müssen, um ihm die Wahrnehmung seines Mandates im Europaparlament zu ermöglichen. Junqueras war im Mai 2019 festgenommen worden und wurde später wegen „Aufstands“ zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt.