Bozen, Göttingen, 17. Februar 2023
Alevitische Gemeinden in Pazarcik und Elbistan im Südosten der Türkei beklagen systematische Diskriminierung bei Hilfsgütern, Nothilfen und der Bergung von Erdbebenopfern. Das berichtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unter Berufung auf alevitisch-kurdische Quellen sowie den Bundesvorsitzenden der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Toprak. „Augenzeugen berichten uns, dass der staatliche Katastrophenschutz insbesondere die alevitischen Dörfer um Pazarcik erst Tage nach dem Erbeben aufgesucht hat. Die Dörfer, in denen Menschen noch in den Trümmern lagen, wurden systematisch ignoriert. Zivile Hilfen werden weiterhin behindert“, erklärte Tabea Giesecke, GfbV-Referentin für ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten und Nationalitäten, heute in Göttingen. „Das zeigt beispielhaft, wie die türkische Regierung die Katastrophe nutzt, um Minderheiten im Land auszulöschen.“
Seit dem Erdbeben gibt es immer mehr alevitisch-kurdische Initiativen, die Hilfsgüter und Nothilfen leisten und auch aus dem Ausland Spenden in betroffene Gebiete bringen. „Das Vertrauen der Menschen in die türkische Regierung und den Katastrophenschutz ist zutiefst erschüttert. Die Zivilbevölkerung leistet jetzt die Hilfe, die der Staat systematisch zurückhält. Und selbst das ist diesem Staat ein Dorn im Auge“, so Giesecke. In der alevitischen Gemeinde in Pazarcik hat der Gouverneur von Maraş (Kahramanmaraş) zivile Helfende dazu aufgefordert, ihre Arbeit zu beenden und Hilfsgüter beschlagnahmt. Ein staatlicher Verwalter soll nun die Verteilung organisieren. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für die alevitische Gemeinde. Betroffene werden dadurch von für sie gedachten Hilfen abgeschnitten. Es zeigt, wie tief die Diskriminierung sitzt“, kritisierte Giesecke.