Bozen, Göttingen, 27. Februar 2024
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist bestürzt über das Urteil gegen den russischen Menschenrechtsaktivisten Oleg Orlow, das soeben in Moskau verkündet wurde: „Der Prozess gegen Oleg Orlow erinnert an die politischen Schauprozesse der Sowjetzeit. Offensichtlich gesteuerte Zeugen der Anklage und fingierte Beweise machen eine Verurteilung zur Formsache. Kein Wunder, dass Orlow es unter diesen Umständen ablehnte, sich auf dieses Unrechtsverfahren einzulassen“, erklärte GfbV-Referentin Nora Erdmann unmittelbar nach der Urteilsverkündung. „Umso bewundernswerter ist, wie überzeugend Orlow sein Schlusswort genutzt hat, um die pseudo-juristische Lächerlichkeit des Verfahrens zu demaskieren.“
In seinem Schlusswort gestern bei Gericht bekräftigte Orlow: „Ich habe kein Verbrechen begangen. Es wäre jedoch naiv, in der heutigen Zeit auf einen Freispruch zu hoffen. Aber ich bereue und bedauere nichts.“ Sein vollständiges Schlusswort in deutscher Sprache finden Sie hier <https://memorial.de/index.php/8238-ich-bedaure-und-bereue-nichts>.
Orlow wurde heute zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Noch im Gerichtssaal wurden ihm Handschellen angelegt. Die Anklage lautete „politischer und ideologischer Hass gegen die Russische Föderation“. Tatsächlich hatte der 70-Jährige den russischen Angriff auf die Ukraine kritisiert. Zwischenzeitlich wurde Orlow in das Register „ausländischer Agenten“ aufgenommen, was seine Verteidigung nahezu unmöglich machte. Der Prozess lief seit dem 8. Juni 2023, zunächst wegen „Diskreditierung der russischen Armee.“ Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt und ging dagegen in Revision. Ebenso die Staatsanwaltschaft, die die Anklage ausweitete und eine Haftstrafe forderte.
Der russische Menschenrechtsaktivist erhielt mit seiner Organisation Memorial 2009 den Viktor Gollancz Preis der GfbV und 2022 den Friedensnobelpreis.