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Covid-19 bedroht Roma auf dem Westbalkan

Welt-Roma-Tag (8. April)

Bozen, Göttingen

Flagge der Roma, angenommen auf dem Ersten Welt-Roma-Kongress am 8. April 1971 in London.

Anlässlich des Welt-Roma-Tages am 8. April fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Europäische Union und den Europarat und seine Mitgliedsstaaten dringend dazu auf, sofort und nachhaltig auf die durch die Corona-Krise nochmals verschärfte Lage von Roma auf dem Westbalkan zu reagieren. Die Expertise des Europarates aus dem Monitoring der Lage dieser Minderheiten auf dem Westbalkan könne helfen, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Auch die internationalen und deutschen Hilfswerke seien aufgerufen, Roma-Familien auf dem Westbalkan zu helfen.

„Ohne fließendes Wasser, Hygieneartikel und Desinfektionsmittel sind bosnische Roma einer Infektion durch das Coronavirus schutzlos ausgeliefert. Die Mehrheit von ihnen hat keine Krankenversicherung. Ausschließlich auf das Sammeln und den Verkauf von Sekundärrohstoffen angewiesen, verlieren Roma durch die Schließung der entsprechenden Kaufstellen und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit die Basis für ihre Existenz“, erklärte Dervo Sejdic, Vorsitzender des Kali Sara – Roma Information Center in Sarajevo gestern in einem Statement für die GfbV.

„Durch die bereits katastrophale Lage der Roma auf dem Westbalkan kann die Covid-19-Pandemie verheerende Folgen haben“, ergänzt Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Mangelhafte Infrastruktur, beengte Verhältnisse, die soziale Distanz unmöglich machen, fehlende finanzielle Mittel und ein eingeschränkter Zugang zum Gesundheitssystem machen diese Minderheit noch anfälliger für eine Erkrankung.“ Der Europarat, als kompetentestes europäisches Forum, für die Menschenrechte, die Sicherung demokratischer Grundsätze sowie rechtsstaatliche Grundprinzipien und Wächter über die Europäische Menschenrechtskonvention, müsse schnell Hilfe initiieren. Sonst drohten viele Menschen zu sterben.

Die GfbV fordert dringend Hilfspakete, Medikamente, Desinfektionsmittel und Schutzkleidung sowie Babynahrung für notleidende Roma in allen Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Dazu müsse die Trinkwasser- und Stromversorgung in den Roma-Siedlungen sichergestellt werden. Medikamente für chronische Krankheiten wie Diabetes, Asthma oder psychische Erkrankungen müssen mitgeliefert werden. Alle diplomatischen Vertretungen der EU und der Mitgliedstaaten des Europarates müssen aufgerufen werden, diese Hilfe vor Ort zu koordinieren.

Auch jenseits der notwendigen Sofortmaßnahmen in der aktuellen Krise beklagt die GfbV die bisher unzureichende Achtung der Minderheitenrechte und fehlenden Schutzmaßnahmen für Roma auf dem Westbalkan durch die Institutionen der EU. „Im Programm der EU-Ratspräsidentschaft Kroatiens in der ersten Hälfte 2020 ist von Wachstum, Verkehr, Energie und Digitalem sowie dem Thema Migration in Europa die Rede. Mit keinem Wort wird die notwendige Verbesserung der Lage der größten ethnischen Minderheit in den benachbarten Ländern erwähnt“, kritisiert Causevic. „Auch, wenn bisher nur wenige Länder des ehemaligen Jugoslawien in der EU sind, erfordern die anhaltende Diskriminierung und schwerwiegende Verletzungen ihrer Werte eine Reaktion auf EU-Ebene“. Jeder neue Beitritt müsse an eine Verbesserung der Lage der Roma geknüpft werden. Gerade Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA seien wegen ihrer Mitwirkung am Friedensabkommen von Dayton (1995) mitverantwortlich, dass in Bosnien und Herzegowina seit 25 Jahren eine diskriminierende Verfassung gelte. Wichtige Ämter seien Bosniaken, Serben und Kroaten vorbehalten. Angehörige der 17 Minderheiten, darunter Roma und Juden, 12 Prozent der Gesamtbevölkerung, seien ausgeschlossen.