Bozen, Göttingen, 25. November 2024
Ovaherero und Nama blicken skeptisch auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 27. November in Namibia, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtet. Auch wenn die seit 1990 regierende South West People’s Organisation (SWAPO) ihre deutliche Mehrheit zum ersten Mal verlieren könne, wirkten Folgen des Völkermords (1904-1908) fort und manifestierten sich in tiefgreifender Ungerechtigkeit. Laura Mahler, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung erklärt: „Die Langzeitregierung des kürzlich verstorbenen Präsidenten Hage Geingob hat das sogenannte Versöhnungsabkommen mit der Deutschen Bundesregierung ausgehandelt, das auch in Namibia hoch umstritten ist. In diese Verhandlungen waren die anerkannten Vertretungen der Ovaherero und Nama nicht einmal involviert, obwohl es dort um den Genozid an ihren Völkern ging. Im Falle eines erneuten Wahlsieges der SWAPO glaubt niemand, dass sich das bessert. Allerdings taucht der Genozid auch in den Wahlprogrammen der anderen Parteien kaum auf, sodass Ovaherero und Nama nur vorsichtig optimistisch sein könnten, falls andere Parteien an die Macht kommen.“
Dem Völkermord durch das Deutsche Kaiserreich ab 1904 fielen um die 100.000 Menschen zum Opfer. „Dadurch sind die Ovaherero und Nama in der namibischen Wählerschaft noch stärker unterrepräsentiert. Sie haben wenig politisches Gewicht, um ihre Forderungen durchzusetzen. Bisher ist es keiner der SWAPO-Regierungen gelungen, für eine gleichberechtigte Vertretung der ethnischen Gruppen im Land zu sorgen“, so Mahler.
Die SWAPO beruft sich im Wahlkampf seit jeher auf das Narrativ, Namibia von der südafrikanischen Mandatsherrschaft befreit zu haben. Diese Erzählung lässt allerdings die Befreiungskämpfe der Ovaherero, Nama, Damara und San gegen die deutsche Kolonialmacht außer Acht. Vor allem für die junge Bevölkerung Namibias, die nach der Unabhängigkeit geboren wurde, habe das Befreiungsnarrativ außerdem kaum noch Bedeutung: „Sie interessieren sich für akute Probleme wie die hohe Arbeitslosigkeit, Armut und fehlende Investitionen im Bildungs- und Gesundheitssektor. Die Ungleichheit in Namibia kommt unter anderem daher, dass nach wie vor ein Großteil des Landes in den Händen weniger Weißer Landbesitzer liegt. Der ungelösten Frage der Landumverteilung haben sich Oppositionsparteien angenommen. Viele Namibier werfen ihnen allerdings vor, dieses Thema nur wahlkampftaktisch zu nutzen, tatsächlich aber keine Veränderung zu wollen“, berichtet Mahler.