Von Rafael Dada
Kutupalong ist das größte Flüchtlingslager der Welt – und völlig überfüllt. Um der Lage Herr zu werden, wollte die Regierung Bangladeschs zehntausende aus Burma geflüchtete Rohingya auf die Insel Bhashan Char umsiedeln. Doch auf der Insel besteht Lebensgefahr.
Mit den Unruhen im nördlichen Rakhine-Staat in Burma seit dem 25. August 2017 wurden mindestens 755.000 Rohingya dazu gezwungen, ihre Heimat in dem Gebiet zu verlassen und nach Bangladesch zu fliehen. Die nach Bangladesch geflüchteten Rohingya verweilen bis zum heutigen Zeitpunkt im größten Flüchtlingslager der Welt: Kutupalong. Es befindet sich in der unweit von der burmesischen Grenze gelegenen Stadt Cox’s Bazar. Die Regierung Bangladeschs versucht, das Problem des überfüllten Flüchtlingslagers unter anderem mit dem Bau eines Camps auf Bhashan Char zu beheben.
Bhashan Char ist eine Insel, die drei Stunden vom Festland Bangladeschs entfernt im Golf von Bengalen liegt. Auf Deutsch lässt sich Bhashan Char als ,,schwimmende Insel“ übersetzen. Sie soll mindestens 100.000 Geflüchteten Platz bieten. Doch die Regierung Bangladeschs verrät wenig über ihr Vorhaben und lässt nur selten Reporter auf der Insel zu. Nach mehreren Verschiebungen sollten schließlich im April 2019 erstmals 20.000 Geflüchtete auf die Insel verlagert werden. Doch die Bedenken seitens den Vereinten Nationen (UN) bezüglich der Sicherheit der Geflüchteten auf der Insel führten dazu, dass die Regierung die Umsiedlungspläne vorerst ruhen lässt.
Die „schwimmende Insel“ hat sich erst in den letzten zwanzig Jahren durch die Anhäufung von Schlicksand durch die Strömungen des Meghna Flusses gebildet. Sie ist äußerst anfällig für Überflutungen und Zyklone. Während der Zeit des Monsunregens ist sie zum Beispiel kaum bewohnbar, da sie komplett überschwemmt ist. Der Monsun beeinflusst jährlich außerdem auch stark die Erosion – ein weiteres Sicherheitsrisiko für Bewohner. Dass die Insel drei Stunden vom Festland entfernt liegt, würde eine Evakuierung bei Naturkatastrophen stark beeinträchtigen.
Damit die Sicherheit auf der noch unbewohnten Insel für künftige Einwohner des Flüchtlingslagers gewährleistet wird, müssten strikte Sicherheitsvorkehrungen erfüllt sein. Welche das sind, müsste ein Gutachten von internationalen Experten klären. Diese ließ die Regierung bislang allerdings noch nicht auf der Insel zu.
Das im Dezember 2018 fertiggestellte Flüchtlingslager auf der Insel, das zukünftig etwa 100.000 Menschen beherbergen soll, ist in 120 Blöcke aufgeteilt. In diesen befinden sich jeweils zwölf Gebäude. Insgesamt gibt es somit 1.440 Gebäude. Jedes einzelne umfasst 16 Wohneinheiten, welche wiederum jeweils knapp 16 Quadratmeter groß sind. Pro Wohneinheit soll eine Familie untergebracht werden. In den Gebäuden gibt es gemeinsam genutzte Küchen und Badezimmer. Somit kommt auf eine Person ein Wohnraum von etwa 3,6 Quadratmeter. Das übertrifft nur marginal den UN Minimalstandard für Notsituationen von 3,5 Quadratmeter pro Person.
Beim Bau des Flüchtlingslagers auf Bhashan Char waren auch internationale Unternehmen beteiligt. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass das chinesische Bauunternehmen Sinohydro sich mit dem Bau einer 13 Kilometer langen Hochwasserauffangsperre beschäftigt. Das Unternehmen möchte den Reuters-Journalisten jedoch keine Details über das Projekt preisgeben, da es sich an Geheimhaltungsvereinbarungen halten wolle. Es verweist an die Regierung in Bangladesch für weitere Fragen. Die britische Firma HR Wallingford fungiert bei dem Bau des Deiches als Berater und erklärt, dass die Konstruktion der Deiche nach internationalen Standards erfolge. Bei weiteren Fragen verweist es ebenso an die Marine Bangladeschs.
Das gesamte Projekt und die Umsiedlung der Geflüchteten von Cox’s Bazar auf die Insel Bhashan Char wird von der Marine Bangladeschs durchgeführt. Bis zum 15. April 2019 sollten 20.000 Rohingya umgesiedelt werden, wie der Minister für Katastrophen und Hilfsgüterleitung Md Enamur Rahman bestätigte. Der Minister führte weiter aus, dass bereits für Unterkünfte, Strom, Kommunikation, medizinische Versorgung, Sturm- und Zyklonschutz und für weitere Einrichtungen gesorgt sei. Doch Forderungen der UN führten dazu, dass die Umsiedlung vorerst gestoppt wurde. Zu ihren Forderungen zählen, dass die UN Sicherheitsgutachten des Flüchtlingslagers vor Ort erstellen dürfen, die Geflüchteten über die Umsiedlung informiert werden und diese auf freiwilliger Basis erfolgt. Außerdem sollen die UN einen humanitären Einsatz auf der Insel organisieren können.
Eine weitere offene Frage bleibt die Art und Weise der Umsiedlung der Geflüchteten. Zwar betont die Regierung Bangladeschs, dass die Umsiedlung für die momentan in Cox’s Bazar lebenden Geflüchteten auf freiwilliger Basis erfolgen würde, dennoch haben Menschenrechtsaktivisten große Bedenken, dass die Menschen zur Umsiedlung gezwungen werden könnten. Es spricht vieles dafür, dass die Geflüchteten selbst nicht bereit sind, freiwillig auf die Insel zu gehen. Jahid Hussain, ein in einem Flüchtlingslager im Süden Bangladeschs lebender Rohingya, beteuert Reuters-Journalisten gegenüber, dass er sein Leben nicht aufs Spiel setzen wolle, indem er sich nach Bhashan Char umsiedeln lasse, nachdem er vor der Grausamkeit in Burma geflüchtet sei.
Nach früheren Angaben des Beraters des Premierministers würde die Regierung alternativ auch auf die Methode der Lotterie zurückgreifen, falls sich nicht genügend Freiwillige für eine Umsiedlung finden würden. Ein solches Vorgehen wäre nicht nur unmenschlich, sondern würde zusätzlich gegen internationales Strafrecht verstoßen.
Die Geflüchteten würden bereits durch die isolierte Lage der Insel stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Zusätzlich soll den künftigen Bewohnern der Insel rechtlich lediglich gewährt werden, ihre Bekannten im Flüchtlingslager Cox’s Bazar zu besuchen. Reisen in weitere Teile Bangladeschs werden den Menschen vorenthalten, wie Yanghee Lee, Sonderberichterstatterin der UN, von der Regierung erfahren hat.
Letztendlich könnte die Umsiedlung der Geflüchteten auf eine solch abgelegene Insel dazu führen, dass das vermeintlich temporäre Flüchtlingslager auf Bhashan Char zu einer dauerhaften Siedlung der Rohingya werden könnte. Die Dachorganisation der Rohingya Arakan Rohingya Union befürchtet diese Entwicklung. Burmas Wunsch, die Rohingya aus dem Norden des Landes zu vertreiben, würde so in Erfüllung gehen können, da so für die Geflüchteten keine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat mehr bestünde. Auch würden durch die Isolierung der Insel besonders die jungen Rohingya unter einer massiven Perspektivlosigkeit leiden, gegen die nur sehr schwer anzugehen werden könnte.
Rafael Dada studiert „Globale Politik: Strukturen und Grenzen“ an der Georg-August-Universität Göttingen. Außerdem engagiert er sich in der Regionalgruppe Göttingen der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker.